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Meine Suchtgeschichte – Teil 2

Was Drogen mit mir, für mich und aus mir gemacht haben… Wie du aus Teil 1 weisst, spielten und spielen verschiedene Substanzen in meinem Leben eine Rolle… wenn du Teil 1 noch nicht gelesen hast, wäre es wohl für das Gesamtbild hilfreich, wenn du ihn zuerst liest… guckst du da: Meine Suchtgeschichte – Teil 1 – Goldener Käfig, offenes Zelt

…here we go…

Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer sehr guten Freundin… die zufälligerweise auch meine Coiffeuse ist (für die Deutschen; Friseurin)… Ich sagte, mehr im Scherz, zu ihr:

Kokain hat es mir ermöglicht, meine sexuellen Abartigkeiten zuzulassen und auszuleben. MDMA ermöglichte mir, zu sehen, welche Prägungen und Traumata zu diesen «Abartigkeiten» geführt haben… und LSD hat das Problem einfach aufgelöst.

…doch wir alle wissen, dass in jedem Scherz 90% Wahrheit stecken. Immer! Und das war der eigentliche Grund, wieso ich diese Artikelreihe schreibe… die Inspiration dazu… wir steigen direkt ein. Schau, dass du gut im Sattel sitzt, es wird ein wilder Ritt!

Wer bin ich und wo komme ich her…?

Ich bin in einem «schwierigen» Elternhaus aufgewachsen. Das führe ich hier nur kurz und oberflächlich zum allgemeinen Verständnis aus – ich könnte Bücher darüber schreiben. Wir waren neuapostolisch und von daher schon mal eine ordentlich verkorkste Familie. Meine Mutter war schwer depressiv. Durch ihre kindliche… familiäre Prägung war… ist sie jedoch so gestrickt, dass sie Schwäche nie zeigt. Sie zeigte nie, wenn es ihr nicht gut geht. Doch das forderte ihren Tribut, unter anderem litt sie lange unter krasser Neurodermitis. Der Vater, ein Mensch voller Minderwertigkeitskomplexe. Für meine Mutter das dritte Kind im Haus. Wir, mein Bruder und ich, waren für ihn eine Konkurrenz. Er war eigentlich allen im Haus unterlegen. Der Teppichklopfer war ein Erziehungsinstrument, das er gerne einsetzte. Meine Mutter hat das alles nicht mitgekriegt… oder nur teilweise… konnte sie auch gar nicht, sie führte ihren eigenen Überlebenskampf. Sie war physisch für uns da und war immer wahnsinnig stark. Doch emotional nicht zugänglich…

-> Meinen Eltern mache ich keinerlei Vorwürfe, sie sind nicht freiwillig so geworden, wie sie sind. Und an dich, Mami: ich liebe dich aus tiefstem Herzen! ICH habe mir dich ausgesucht und das aus gutem Grund!

Vor einigen Monaten bin ich mit der Literatur von Dr. Gabor Maté in Kontakt gekommen. Gabor Maté ist Arzt und renommierter Experte für Trauma, Sucht, Stress und (früh-) kindliche Entwicklung. Falls du selber von diesen Themen betroffen bist… nein, auch wenn du es nicht bist… kann ich dir seine Literatur wärmstens empfehlen. Ich habe seine Bücher verschlungen. Dadurch wurde mir sehr vieles klar. Unter anderem:

  • Wie sich die emotionale Verfassung der Eltern auf das Kind auswirkt, und zwar auch und vor allem bereits während der Schwangerschaft.
  • Was überhaupt alles als Trauma bezeichnet werden kann (er beschreibt das Trauma mit kleinem t und das mit grossem T).
  • Wie sich (frühkindliche) Traumata auf die Stresstoleranz eines Menschen auswirken
  • Wie Traumata Krankheiten und Süchte begünstigen können

…das wäre nur mal ein ganz grober Überblick. Ich will hier aufzeigen, was mir klar wurde…

THC, Nikotin und Alkohol…

…unterdrücken Emotionen. Ja! Tun sie! Der Kiffer wird das vehement abstreiten. Stimmt aber trotzdem. Und das war mein Segen. Denn durch das Kiffen habe ich mich vor der Emotion meiner Eltern geschützt. Dadurch habe ich mich von der Depression meiner Mutter abgegrenzt. Das ist mir mittlerweile völlig klar. Wie gesagt, ich kann hier nicht die ganzen Bücher von Gabor Maté zitieren, es ist lediglich ein Blogbeitrag.

Was mir aber noch nicht klar ist… und das ist sehr spannend und wird mir jetzt hier in dem Moment beim Schreiben klar… ich habe keine klare Erinnerung mehr an die Teppichklopfer-Sessions mit meinem Vater. Mein Bruder schon. Er kann sich sehr gut erinnern. Ich erinnere mich nur an einen Moment, das war als mein Bruder und ich mit heruntergelassener Hose vor dem Bett kniend darauf warteten, dass er mit dem Teppichklopfer ins Zimmer kommt. Ich sehe uns von aussen, nicht aus meiner Ich-Perspektive. Und das ist etwas, das viele Traumapatienten berichten, dass sie das Erlebte aus einer externen Perspektive erinnern. Dass sie ihren Körper während dem Erlebnis verlassen hatten. Ich habe – während ich das schreibe – zum ersten Mal Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. Bisher redete ich immer völlig nüchtern darüber. Diese Erinnerung und die damit verbundene Emotion ist irgendwo tief in mir vergraben und abgeschnitten. DAS ist Trauma. Eine vernarbte Wunde. Narbengewebe ist hart und undurchlässig. Das Narbengewebe ist aber bereits weicher geworden… später mehr dazu. Wir bleiben noch etwas beim Kiffen.

Wenn ich kiffe… damit meine ich die Phasen, in denen ich kiffe… kiffte… waren auch Phasen, in denen ich zu depressiven Verstimmungen neigte. Phasen in denen ich eher unsicher und ängstlich war. In denen ich meine Grenzen nicht zog. In denen ich mir alles gefallen liess, um nicht jemanden zu verärgern… um ganz sicher akzeptiert zu werden (auch das ist etwas das Gabor Maté ausführlich beschreibt; der Konflikt des Kindes zwischen Authentizität und Akzeptanz – das eigentliche Hauptthema meines Blogs).

Wenn ich nicht kiffe, bin ich der lebensbejahende, fröhliche und energiegeladene Mensch, der ich eigentlich zu sein glaube. Dann werde ich aktiv, kreativ… und es entsteht ein neues Ich. Und das macht mir manchmal Angst. Hast du meinen Blogbeitrag zur «Reise» gelesen? Eine kleine Reise, allein, zu Hause… – Goldener Käfig, offenes Zelt

Aktuell bin ich seit 9 Tagen clean. Ich fühle so vieles… mein Kopf ist so klar wie noch nie… ich schreibe einen Blogbeitrag nach dem anderen und habe bereits die nächsten 20 Beiträge im Kopf parat. Es ist wundervoll. Ich habe Energie. Und zum ersten Mal in meinem Leben, verwende ich diese Energie nicht in völlig übertriebenem Sport der – wie ich auch schon ausgeführt habe – genau so ein Suchtmechanismus ist, wie THC und Nikotin… und die übertriebene Identifikation mit pathologischen sexuellen Neigungen.

Fazit zum THC: Das hatte in der Vergangenheit einen Nutzen – jetzt hält es mich höchstens in der Vergangenheit fest. Ich darf es loslassen.

Kokain

Das ist hier keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern ich gebe meine persönliche Erfahrung wieder. Ich halte Kokain für eine der gefährlichsten Substanzen überhaupt. Im dritten Teil dieser Reihe werde ich darauf genauer eingehen.

Sie hat mir aber auch etwas gebracht. Ich konnte meine sexuellen Neigungen, die ich bis dahin tief in mir versteckt hatte… die ich sogar vor mir selbst versteckt hatte – ich habe mir zwischendurch erlaubt, mir auf diese Phantasien einen runterzuholen, es dann aber sofort wieder voller Scham verdrängt – auf ein Mal akzeptieren. Ich konnte auf Koks sogar mit Lily darüber reden, obwohl für sie sexuell devote Männer ein no-go waren… Männer in Frauenkleidung erst recht. Und dennoch. Ich wusste, dass das etwas ist, das irgendwann raus musste. Ich wusste damals noch nicht, dass es etwas Pathologisches ist… dass das ein Ausdruck eines Traumas ist. Ich wusste nur, dass es ein Teil von mir ist, der irgendwie, irgendwann gesehen werden musste (damals noch in dem Sinne, dass diese Neigung in der Beziehung ausgelebt werden können muss).

Durch Kokain war ich angstfrei genug und selbstsicher, sodass ich das Lily gegenüber aussprechen konnte. Und sie hat mir zugehört. Sie konnte sogar Gefallen daran finden. Und so konnten wir anfangen, das gemeinsam auszuleben… oder es zumindest zu versuchen. Und immer und immer wieder darüber reden… tiefer und tiefer. mit der Zeit sogar ohne Koks. Und so konnten wir etwas ans Licht holen, das sonst niemals gesehen worden wäre. Und das hat schlussendlich dazu geführt, es anzuschauen, kennenzulernen… es hat Raum gekriegt. Und das hat schlussendlich weitere Türen geöffnet. Denn, solange ein Trauma gar nicht im Bewusstsein ist, kann es ja auch nicht «bearbeitet» werden, können die Hintergründe… der Ursprung davon auch nicht erkannt werden.

Aber! Koks verstärkt nach meiner Erfahrung das Ego… die Persönlichkeitsstruktur… und damit auch die pathologischen Aspekte. Auf Koks dachte ich, ich könnte jetzt definitiv und für immer der feminisierte, keuschgehaltene Cuckold bleiben. Und das akzeptieren. Gut finden. Wir blieben immer jeweils einige Wochen in diesem «Spiel»… doch es waren immer finstere Zeiten, in denen alles andere im Leben an Stellenwert verlor. Der Sport, die Kinder… alles rückte in den Hintergrund. Irgendwann trat Lily immer ganz automatisch auf die Bremse, weil sie die pathologischen Aspekte dieser Neigung erkannte. Das löste in mir im ersten Moment jeweils grosse Frustration aus… doch es war zugleich ein Erwachen aus einem finsteren Traum.

Ich sehe unterdessen in sexuellen Neigungen ein Instrument zur Persönlichkeitsentwicklung. Sexuelle Neigungen können Verdrängtes ans Licht holen und somit Heilung bewirken. Dazu werde ich auch noch ausführlich schreiben… dies ist nicht der Post dafür.

MDMA

Meine Lieblingssubstanz und diejenige, auf die ich nie verzichten wollen würde. Auch wenn ich sie eigentlich nicht mehr brauche, da sie ihren Dienst für mich getan hat… wobei, es gibt noch mehr aufzuräumen…

MDMA wird in der Traumatherapie wieder erforscht, da die Substanz dazu führt, dass die Patienten über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen können… oder sich überhaupt damit beschäftigen können, ohne von den damit verbundenen Emotionen überwältigt zu werden und sich wieder abzukapseln. Das mal sehr vereinfacht dargestellt, wer wirklich mehr wissen will, findet selber eine Fülle an Informationen im Netz.

Es ist sicher nicht der richtige Weg, dies als Selbstmedikation anzuwenden… und doch hat es mir aufgezeigt, woher diese Neigungen kommen. Es hat mir Zugang zu meinen verborgenen… verdrängten Emotionen verschafft. Ich konnte in die Rolle gehen, die mit dieser Neigung verbunden ist und mich quasi «darin umsehen». Schauen was diese Neigung verursacht hat…

  • Wie die «feminine» Seite in mir die Kompensation der verdrängten Gefühle ist, des sanften Teils in mir der während meiner Kindheit kaputt gegangen wäre, hätte ich in nicht weggekifft.
  • Wie der Hang zum Erniedrigt-Werden eigentlich eine Kompensation ist… eine Kompensation der Fassade als unantastbarer Superheld, der jeden Schwanzvergleich gewinnt und kaum Gefühle zeigt.

Und so konnte ich… konnten wir, Lily und ich… diese Seite von mir ausleben, ohne in eine Identifikation zu gehen. Wir konnten es tatsächlich so weit bringen, dass wir in diesem Setting Gefühle zu einer dritten Person zulassen konnten – was immer meiner Fantasie entsprach… Dem «tiefsten» Punkt dieses Abgrundes… und es sich dennoch einfach nur leicht und spielerisch anfühlte. Eben ohne zu einem Teil der Persönlichkeit zu werden. DAS war der erste Schritt zur Auflösung dieses Teils von mir.

Auch dazu werde ich in einem separaten Blogbeitrag mehr schreiben.

LSD

Der Weg zu Gott. Nicht zu Gott im religiösen Sinn, die Religionen haben Gott getötet, wie schon Nietzsche schrieb. Sondern zu Gott im Sinne von «Alles-Was-Ist».

Weisst du, was «Sünde» im biblischen Sinn bedeutet? Trennung. Die Trennung vom Göttlichen. Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Wir SIND Gott. In unserer Egoidentität sind wir von Gott im Sinne vom «Alles-was-ist», getrennt. Wir sind in der Sünde.

LSD ist psychedelisch… löst die Psyche auf… also das Ego… das ich… das Ding, das getrennt ist vom «Alles-Was-Ist»… und plötzlich bist du bei Gott… du bist Gott… du bist Alles-Was-Ist.

Auf LSD habe ich meine verstorbenen Verwandten gesehen. Meinen Onkel, der 2019 Suizid begangen hat. Seine Eltern… die Eltern meines Vaters… Sie mochten sich nicht, als sie noch in der Trennung waren… in der Welt der Dualität, in der wir inkarniert sind… Sie sassen alle zusammen am Tisch. Der «Raum» war von Liebe erfüllt. Ich sah meinen Urgrossvater… Grandpère Georges… seinen Namen kannte ich vorher nicht. Du sagst ich habe mir das aufgrund der Droge eingebildet? Glaub mir, ich weiss es besser, ich war da.

…und da LSD meine Persönlichkeit auslöschte, also das Ding, das aus Erfahrungen, Gelerntem… und aus Traumata besteht… waren damit auch meine sexuellen Neigungen einfach weg. Ich habe es versucht, das in diesem Zustand auszuleben. Doch ich verstand in dem Zustand nicht, wieso ich so etwas tun sollte. Dafür konnte ich einfach «normalen» Sex mit Lily geniessen. Wobei das weit weg war von «normal»… von dem «Normal» das ich bis dahin kannte. Es hatte eine Intensität, die ich noch nie erlebt hatte. Wir waren einander so nah wie noch nie. Weil kein Ego mehr da war, das uns getrennt hat. Es war absolut überwältigend. Sie sagte danach zu mir «Du warst noch nie so männlich beim Sex wie gerade eben».

Und darum sind sämtliche Sinneswahrnehmungen extrem geschärft auf LSD. Wenn du es noch nie genommen hast, kannst du dir gar nicht vorstellen was man alles sehen, hören und fühlen kann in dem Zustand. Wie Nahrung schmecken und riechen kann. Wahnsinn. Die Sinne sind dann so scharf, wie bei einem Tier… dessen Aufmerksamkeit voll und ganz bei seiner Sinneswahrnehmung ist – weil nicht der ständige Gedankenstrom 80% seiner Aufmerksamkeit beansprucht.

Und es gab in dem Zustand auch gar nichts mehr «zu bearbeiten»… denn ich wusste… erkannte, dass alles, was ich zu sein glaubte, eine reine Illusion ist. Ich war frei!

Nach den Trips ist man jeweils wieder zurück in der Ego-Identität und DAS kann dann für einen Menschen möglicherweise sehr schwierig sein und in die totale (Identitäts-) Krise führen. Oder man erkennt eben seine Persönlichkeit (weisst du eigentlich, dass «Persönlichkeit» vom Lateinischen «Persona» kommt, was so viel heisst wie «Maske»?) als Illusion, als Gedankenkonstrukt. Auf ein Mal konnte ich loslassen. Loslassen und erwachen zu meinem wahren Selbst!

Das bedingt aber auch eine gewisse «Nachbearbeitung» des Trips. Man versteht ihn oft erst danach… in den Tagen darauf setzt sich das Puzzle zusammen.

Post Scriptum

Heute ist mein 42. Geburtstag. Ich konnte kaum schlafen, nachdem ich gestern diesen Beitrag schon fast geschrieben hatte. Ich weine und bin erfüllt von tiefster Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass ich in meinem Leben genau da bin, wo ich bin.

Lily, ich danke dir, dass du mit mir meine Dämonen erforscht hast, dass du so stark warst und bist, dass du das immer und immer wieder mit mir durchlebt hast, bis ich es erkennen und auflösen konnte. Ich weiss, dass es verdammt hart war für dich!

Timo, mein Sohn, ich bin dir wahnsinnig dankbar dafür, dass du mir gezeigt hast, wer ich wirklich bin. Dass du mich ermutigt hast, diesen Blog zu schreiben. Dass du mich so annimmst wie ich bin. Für alle die Gipfel die wir zusammen bestiegen haben und die Täler die wir durchschritten haben.

Alisha, meine geliebte Tochter… du hast mich von Anfang an, als ich deine Mami kennengelernt habe, sofort in dein Herz geschlossen. Ich konnte mir damals nie vorstellen, dass mich jemals jemand irgendwie lieben kann. Doch du hast es getan. Es tut mir unendlich leid und macht mich traurig, dass ich damals nicht in der Lage war, deine Liebe zu erwidern.

Angela; du hast mich so angenommen, wie ich war, in einer Zeit, in der ich nicht fähig war zu fühlen und mich selbst nur ertragen konnte, wenn ich bekifft war. Und du hast mir unseren Sohn geschenkt. Danke!

Mami… ich habe keine Worte mehr… letzte Weihnachten lagen wir einander in den Armen und weinten gemeinsam. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass sich deine Umarmung richtig angefühlt hatte… weil es vielleicht das erste Mal war, dass wir einander wirklich gespürt haben… ich weiss es nicht genau, aber es war einer der schönsten Augenblicke meines Lebens! Vergiss bitte nie, was ich dir unter das Buchcover geschrieben habe!

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